Gedanken, Rezensionen

Rezension: „Super, und dir?“ von Kathrin Weßling

Nachdem meine sozialen Aktivitäten wegen des Coronavirus auf ein Mindestmaß beschränkt wurden und ich anstatt zu Vorlesungen zu gehen nur noch Videos der Lehrpersonen anschaue, nutze ich meine Zeit immerhin, um ein wenig mehr zu lesen. Das Buch „Super, und dir?“ von Kathrin Weßling habe ich in zweieinhalb Tagen verschlungen. Das liegt zum einen daran, dass es sich einfach lesen lässt, zum anderen aber auch an der schmerzhaft zutreffenden Charakterisierung unserer modernen Gesellschaft und daran, dass man unweigerlich mit der Protagonistin mitfiebert.

Worum geht’s?

Von außen betrachtet sieht Marlene Beckmanns Leben perfekt aus: Sie arbeitet im Marketingbereich eines multinationalen Unternehmens, sie ist hübsch und immer gut drauf, sie hat einen Freund, der sie liebt. Um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein gutes Leben zu führen, arbeitet sie hart. Sie geht zum Sport und verlegt ihren Urlaub selbstverständlich gerne wegen des neuen Projekts auf der Arbeit. Die paar Mittel, die sie benutzt um ihr Pensum zu schaffen sind ja nicht der Rede wert. Sie könnte ja jederzeit damit aufhören. Oder etwa nicht?

Neben Rückblenden in die Vergangenheit der Protagonistin folgen wir ihrem täglichen Leben und ihren Versuchen, allem gerecht zu werden und ein tolles, erfülltes Leben zu simulieren. In Wirklichkeit geht es für sie immer weiter bergab.

Und worum geht’s wirklich?

Das Buch „Super, und dir?“ handelt vom Gefallenwollen, von Ehrgeiz und falschem Stolz, vom Aufrechterhalten einer Fassade, hinter der alles zusammenfällt. Es charakterisiert die Generation Y mit ihren Selfie-Postings aus Co-working-spaces; alle ganz locker und ungezwungen natürlich. Es geht um die eigenen Erwartungen und die anderer und darum, alles zu geben, scheinbar alles zu erreichen und sich dann vom Leben verarscht zu fühlen.

Weßling schreibt beispielsweise: „Ich wurde seit meiner Geburt verarscht, ich wurde von Kohl verarscht, von der Wiedervereinigung und von der Pille danach, von der Bravo Super Show und Modems und Chatrooms, vom Millennium, dem Euro, Bologna und vom Internet (…).
Ich wurde verarscht, weil alle, einfach alle mir versprochen haben, dass ich nur hart genug zu mir sein muss, nur dünn, fleißig und hübsch genug, nur therapiert und reflektiert genug, nur geil und kinky genug, lieb und cool, gleichzeitig aber auch besonders, dann kriege ich was ich brauche, was mich weiterbringt, was wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung ist.“

Meine Meinung

„Super, und dir?“ fand ich, wie schon angedeutet, wirklich fesselnd, was insbesondere dadurch bedingt ist, dass der Leser oder die Leserin stetig darauf hofft, dass die Protagonistin in vielerlei Hinsicht endlich die Reißleine zieht. Vermutlich würde jeder während des Lesens der Protagonistin am liebsten zurufen: „Bitte tu das nicht!“, „Erzähl jemandem davon!“. Diese Gefühle, die Angst um die Protagonistin und die Hoffnung, verfolgen den Leser oder die Leserin konstant und treiben ihn oder sie quasi von einer Buchseite zur nächsten.

Ich glaube in meiner Generation steckt in jedem ein bisschen Marlene Beckmann, wenn auch vielleicht in einer abgeschwächten Form. Glücklicherweise konnte ich mich persönlich nicht komplett in der Protagonistin wiedererkennen, der es so häufig nur auf den schönen Schein ankommt. Ehrlich gesagt hat mich ihr Verhalten nicht selten zur Verzweiflung gebracht. Dennoch empfinde ich die Darstellungen als authentisch.

Marlene Beckmanns Arbeitsalltag als Social-Media-Managerin und Persönlichkeiten wie ihren Chef Stefan beschreibt die Autorin sehr treffend und dennoch allgemein genug, damit die Leser diese auch in ihrem Leben wiederfinden können. Der Generation Y wird von Weßling ein Spiegel vorgehalten, der kein sehr positives Bild zeigt: Neid und Konkurrenzkämpfe, fehlende Kommunikation, während auf Facebook heile Welt gespielt wird, Selbstaufopferung und unrealistische Erwartungshaltungen, ständige Erreichbarkeit, Selbstoptimierung um jeden Preis, all das ist charakteristisch für unser Zeitalter.

Fazit

„Super, und dir?“ ist definitiv kein feel-good-Buch und nicht zu empfehlen, wenn du etwas brauchst, was dich aufmuntert. Alles zu erreichen, was die Gesellschaft von einem erwartet und damit zutiefst unglücklich zu sein, eine Leere füllen zu müssen – das ist definitiv etwas, vor dem ich mich fürchte und das von der Autorin aufgegriffen wird. Dieses Dilemma war für mich eines der Hauptthemen des Buches. Mir wurde nochmals klar, wie wichtig Authentizität und Kommunikation sind und dass nicht immer alles so ist, wie es scheint. In jedem Fall regt „Super, und dir?“ zum Nachdenken über das, was wirklich zählt und das, was heutzutage so oft falsch läuft, an.

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