Gedanken, Psyche

Warum ich das Klettern liebe

Geklettert bin ich schon immer. Als Kind schwindelfrei auf die höchsten Bäume, Klettergerüste rauf und runter, mit meinem Vater und meinem Bruder in der Boulderhalle. Wenn es für jede Person eine Bewegungs- oder Sportart gibt, die ihr Energie und Freude gibt, dann ist es für mich das Klettern. Schon klar, es ist auch einfach ein extrem gehypter Sport. Aber – zu recht! Auch für mich ist es einfach eine der besten Beschäftigungen, der man im Leben so nachgehen kann. Hier sind einige der Gründe dafür.

1. Ich fühle mich wieder wie ein Kind

Wer das Bouldergebiet Avalonia in der Nähe von Dortmund betritt, wird früher oder später auf Daniel stoßen. Daniel kümmert sich um das Areal, gibt Klettertipps und kreiert wunderschöne Steinskulpturen. Und er malt Topos – also Routenbeschreibungen – im Stil von Kinderbüchern. Denn er sagt wenn wir klettern, sind wir wieder Kinder. Da gebe ich ihm vollkommen recht.

Klettern ist spielerisch. Dabei erkunden wir sowohl die Wand oder den Fels als auch unsere eigenen körperlichen Fähigkeiten. Klettern heißt sich ausprobieren, Grenzen ausloten. Fallen und wieder aufstehen, mal kraftvoll, mal leichtfüßig balancierend. Die Boulder- oder Kletterhalle oder die Natur als Spielplatz.

2. Ich kann perfekt abschalten

Ob ich jogge, schwimme oder radfahre: der Gedankenkreisel dreht sich weiter. Yoga mag beruhigend wirken, doch es fällt mir schwer, dabei völlig in Einklang mit mir selbst zu kommen. Anders, sobald ich an einer Wand hänge. Innerhalb von wenigen Momenten bin ich nur noch im Hier und Jetzt. So konzentriert, dass alle Gedanken nur noch am nächsten Griff hängen.

Dieser Fokus war während der Examensvorbereitung die beste Möglichkeit, dem Lernstress temporär zu entfliehen. Noch besser als ein paar Stunden in der Boulderhalle ist nur ein Tag am Fels. Mitten in der Natur, ohne Handy, dafür mit netten Menschen. Alltagstauglicher als ein Kurztrip ans Meer und mental genauso entspannend.

3. Die Menschen machen’s aus

Apropos nette Menschen. An der Wand bin ich üblicherweise für mich – aber beim Klettern oder Bouldern in den seltensten Fällen alleine. Selbst, wenn eine Sicherung nicht notwendig ist, helfen sich Kletterer gerne gegenseitig weiter, tauschen sich aus, geben Tipps. In der Boulderhalle ist es vermutlich besonders leicht, ins Gespräch zu kommen. Doch generell gefällt mir der persönliche „Vibe“ beim Klettern sehr gut.

Viele Menschen, die gerne klettern, sind auch gerne draußen und unterwegs und machen sich nicht zu viel aus Luxus und Komfort. Diesen Typ Mensch erlebe ich in der Regel sehr positiv: entspannt, hilfsbereit und tolerant. Natürlich ist nicht jeder Kletterer und jede Kletterin automatisch ein besserer Mensch. Doch generell fühle ich mich in einer Community sehr wohl. Ich habe das Gefühl, mich nicht verstellen zu müssen. Und selbst wenn ich mit jemandem sonst nicht viel gemein habe: eine Leidenschaft verbindet.

4. Auf die Überwindung folgt der Erfolg

Ich würde lügen, würde ich behaupten, beim Klettern nie Angst oder zumindest Respekt zu haben. Den habe ich die ganze Zeit. Auch, wenn ich weiß, dass mir eigentlich nichts passieren kann, möchte ich das Gefühl des (kurzen) freien Falls so gut es geht vermeiden. Manchmal zittern meine Beine, meine Hände schwitzen und mein Kopf fragt sich, wo ich mich da nur schon wieder reinmanövriert habe.

Klettern erfordert oft eine gewisse Überwindung. Manchmal müssen persönliche Grenzen überschritten – oder sagen wir, ausgedehnt – werden. Und oft scheitere ich, immer und immer wieder. An einer Route, einem Problem. Aber wenn es dann klappt, ist das Hochgefühl unglaublich. Es muss nicht mal eine komplette Route sein: Jeder nächste Griff oder Tritt ist eine kleine oder größere Überwindung, gefolgt von einem Erfolg. Nicht umsonst wird Klettern als Methode für mehr Selbstbewusstsein von verschiedenen Vereinen genutzt.

5. Ich bin mit meiner Umgebung verbunden

Beim Klettern bin ich nicht nur gedanklich im jeweiligen Moment. Ich spüre diese Präsenz auch körperlich. Am schönsten ist das wiederum draußen in der Natur. Ich bin hier, am Fels, vielleicht in der Sonne oder umgeben von Bäumen. Mir gefällt es, die Gegebenheiten der Natur zu nutzen, sie zu nehmen wie sie ist und meinen Einfluss auf meine eigenen Bewegungen beschränkt zu sehen. Klettern ist Sport, Spiel und Achtsamkeitsübung in einem. Ohne Zwang, für jede*n seinem oder ihrem Level entsprechend.

Bildnachweis: Pixabay via pexels.com

3 Gedanken zu „Warum ich das Klettern liebe“

  1. Liebe Helen.
    ich stelle mir Klettern sehr befreiend und stärkend vor – leide aber unter massiver Höhenangst, sobald da keine dicke Glasscheibe oder kein Geländer mehr ist. Es war schon eine Herausforderung, mich mal in den Alpen auf einen Berg zu trauen (auch, wenn ich es letztendlich mit Bravour durchgestanden habe). 😀
    Aber ich kann deine Zeilen dennoch sehr gut nachvollziehen. Auch das mit dem Kind-Sein-Dürfen. Danke für diesen Einblick! 🙂

    Liebe Grüße
    Alina

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Alina,
      freut mich sehr, dass du dennoch etwas mit dem Beitrag anfangen konntest! 😀 Und auch, dass du dich in den Alpen auf einen Berg getraut hast – ich hoffe es war schön. 🙂
      Liebe Grüße zurück,
      Helen

      Gefällt 1 Person

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