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Wie eine Tütensuppe

Meine Universität bietet heute ein Seminar an, für das ich mich beinahe angemeldet hätte. Es geht um Sichtbarkeit in der Wissenschaft. Schon im zweiten Satz der Veranstaltungsbeschreibung fällt das Wort „Selbstmarketing“.

Dieses Konzept scheint sich immer weiter zu verbreiten. Selbstständige verkaufen nicht nur Produkte oder Dienstleistungen, sondern sich gewissermaßen gleich mit: in Form von einem Lebensgefühl oder als gute Freundin. Das Abnehmprogramm oder das Business-Coaching stehen nicht mehr für sich. Die beiden haben jetzt ein hübsches weibliches Gesicht. Selbst für Wissenschaftler*innen genügt Forschung und Lehre aus dem Elfenbeinturm nicht mehr. Die eigenen Veröffentlichungen müssen unters Volk gebracht (oder zumindest in einer Bubble zirkuliert) werden. Es wird getweetet, geshared und kommentiert. Wissenschaftskommunikation nennt sich das Ganze.

Und wer als freie Autorin, Journalistin oder Künstlerin anderer Art tätig sein will, der muss es wohl tun: sich selbst vermarkten. Nun kann ich nicht behaupten, große wirtschaftliche Kenntnisse zu besitzen. Auch mit Marketingstrategien kenne ich mich so überhaupt nicht aus. Doch ein erster Schritt scheint mir ziemlich logisch: Ich muss mich und mein Angebot definieren.

Nicht so einfach für jemanden, der am liebsten alles auf einmal macht. Und überhaupt, wie bin ich denn? Ein bisschen öko, ein bisschen jung, für manche aber vielleicht schon nicht mehr. Bin ich die neue spritzig-frische Limonade mit dem bunten Etikett oder doch eher die olle Tütensuppe ganz hinten aus dem Regal? Bin ich eine Expertin? Wenn ja, worin genau? Muss ich eine sein? Wo zur Hölle ist meine Schublade? Hätte ich mal lieber das Seminar besucht.

Was mich davon abgehalten hat? Vor allem der Besuch von einer guten Freundin. Vielleicht auch, dass mir jedes Mal ein leiser Schauer über den Rücken läuft, wenn ich LinkedIn öffne und in all die strahlenden Verkäufer*innengesichter blicke. Aber es hilft ja nichts, wenn man selbstständig, erfolgreich oder eins von beidem sein möchte.

Ich habe ein LinkedIn-Profil zu kuratieren und meinen Lebenslauf sowie die Liste der Veröffentlichungen up to date zu halten. Dabei bleibe ich selbstverständlich authentisch – denn Natürlichkeit und Authentizität sind Verkaufsschlager. Eine professionelle Website wäre wohl sinnvoll und über Twitter könnte ich neue Kontakte knüpfen. Es gibt viel zu tun.

Dabei habe ich das Gefühl, für den professionellen Auftritt meines Marketing-Ich maximal zwei bis drei Emotionen auswählen zu können. Bin ich humorvoll oder informierend? Tough oder sensibel? Bin ich unterwegs als Wissenschaftlerin, Autorin oder Privatperson, die ständig blöde Wortwitze macht? Tatsächlich bin ich alles davon und noch mehr, interessiere mich für Völkerrecht, Popkultur, Literaturklassiker und Katzenvideos. Ich bin Limo und Tütensuppe. Ich trage keine Anzughosen und etwas in mir sträubt sich ganz entschieden gegen eine entsprechende Online-Darstellung meiner selbst.

Ich weiß, im Internet besteht keine Anzughosenpflicht und ein Onlineauftritt kann mir höchstwahrscheinlich ein paar Türen offenhalten. Nur, sollte ich eine Version von mir vermarkten, dann eine möglichst echte. Bis dahin findet ihr mich hier, als Expertin für Gedankensalat. Für Anfragen in den Kommentaren stehe ich jederzeit zur Verfügung.

Bildnachweis: Prateek Katyal via unsplash.com

3 Gedanken zu „Wie eine Tütensuppe“

  1. Tja, mich macht Marketing als Konsumentin immer misstrauisch. Wer eine gute Ausstrahlung und Kompetenz hat, braucht es m.E. nicht. In unserer durchgestylten Welt ist doch gerade das Nicht-Inszenierte symphatisch und vertrauenerweckend.

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