Grau ist nicht gerade die beliebteste aller Farben. Grau liegt zwischen Unwetter und Sonnenschein, zwischen Tag und Nacht. Grau setzt kein Statement, es ist unscheinbar, vielleicht sogar langweilig. Grau erntet keinen Applaus, höchstens ein müdes Nicken, schweigende Akzeptanz.
Lange Zeit war grau nicht so mein Ding. Ich tat Dinge ganz oder gar nicht; wenn überhaupt, dann akribisch, perfektionistisch. Nicht nur dabei sein, um das Spiel zu genießen; teilnehmen, nur um zu gewinnen, oder eben nicht. Der Weg nicht das Ziel, sondern – das Ziel eben als Ziel. Und dahinter ein neues Ziel. Wenn schon schreiben, dann wie ein Profi, oder? Und wenn nicht richtig, dann lieber gar nicht. Bestehen ist keine Option, Bestehen mit Auszeichnung, mit Urkunde und Ehrung, darum geht es doch.
Auf den ersten Blick sieht Perfektionismus nicht nach Prokrastination aus, sondern nach blinder Arbeitswut. Tatsächlich verursacht er beides. Wie schwarz und weiß an unterschiedlichen Enden des Spektrums liegen, so tun es Arbeitseifer und Lethargie. Alles oder nichts eben. Tatsächlich kannte ich lange Zeit nur das Eine oder das Andere: stundenlang am Schreibtisch, vor lauter Versunkenheit vergessen zu trinken, oder von Facebook zu Instagram und dann ins Bett.
Weil immer alles geben eben nicht funktioniert, folgt darauf fast unweigerlich das Nichts. Es ist, als würde das Leben aus kurzen, intensiven Sprints bestehen, nach denen man sich hechelnd ins Gras wirft und die Augen schließt. Aber das Leben besteht nicht aus Sprints. Um hier mal in die Plattitüdenkiste zu greifen: das Leben ist ein Marathon.
Die schwarz-weiß Mentalität hat zweierlei entscheidende Nachteile: Sie kann dich völlig ausbrennen lassen. Und sie kann dazu führen, dass du es nicht versuchst, aus Angst, nicht perfekt zu sein. Dazu, dass die Angst überwiegt und du Chancen verstreichen lässt.
Heute bemühe ich mich, öfter mal grau zu machen. „Better done than perfect“ ist das passende Motto: einfach mal machen, besser irgendwie als gar nicht.
Trotzdem habe ich das schwarz-weiß-Denken nicht komplett aus meinem Kopf verbannen können. Ich glaube, dass es jedem Menschen in unterschiedlichem Maße anhaftet. Jedoch habe ich mittlerweile verstanden, dass selbst die Suche nach dem perfekten Grauton ein Einschleichen der schwarz-weiß-Mentalität durch die Hintertür ist.
Grau ist nicht sexy. Grau ist überlebensnotwendig. Ich male mein Leben in tausenden Grautönen aus und ich liebe es.
Hallo Helen, die Erklärung gefällt mir richtig gut und ja, ich selbst kenne das mit dem Schwarz/Weiß auch, auch wenn ich es nicht farblich betitelt habe, sondern mit den Extremen. Ganz oder gar nicht. Entweder oder. Doch das mit dem sowohl als auch ist doch auch ganz praktisch.
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Hey, danke für deinen Kommentar!
Ja, ich denke es ist schwer, das mit den Extremen komplett abzuschalten, aber sowohl als auch kann manchmal echt befreiend sein. 🙂
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Am Anfang dachte ich, dass es sich hier um einen Modeartikel handelt. 😀 Ich mochte es sehr, deine Zeilen zu lesen und wie du ausgehend von der Farbe Grau über das Leben reflektierst. 🙂 Ich persönlich bin ja ein riesiger Fan von grauem Kuschelwetter. 🙂
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Haha oh, ich glaube Modeartikel wird es hier nicht geben, da bin ich nicht so die Expertin. 😀
Dankeschön! Ja, graues Kuschelwetter hat auf jeden Fall was. 😀
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😀
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